Der Aktivist der Arbeit, der Arbeiter im Kollektiv der sozialistischen Arbeit und sogar der Träger der Arthur-Becker-Medaille, das ist Robert Ticker.
Mit klopfendem Herzen begreift er nach einem verpfuschten Leben, sein Vater hatte sich einen Sohn erschaffen, einen Robert, der nicht wild, aufmerksamkeitsgeschädigt und asozial war, sondern einen Helden der Arbeit, der in fast allen Erdteilen der Welt unterwegs gewesen war, der ein bedeutender sozialistischer Baggerfahrer gewesen sein musste, den er, der alte Genosse Ticker überall als seinen Sohn ohne eigene Rufschädigung vorzeigen konnte.
Mit Medaillen, Orden, bunten Postkarten und sauber mit der Maschine getippten Briefen berichtete dieser Robert Ticker, der Held der Arbeit, über Beteiligungen an Aufbauobjekten in Angola, Ghana, Guinea, Äthiopien, Libyen, Algerien, Mosambik, Syrien, Irak, Kuba und sogar in der Mongolischen Volksrepublik soll er gewesen sein, über sein Leben, das es nie gegeben hat. Der wahre Robert Ticker kannte nur eine kleine Welt aus den Büchern, die er im Knast „Rüdersdorf“, in der „Schwarzen Pumpe“ und in „Bautzen I“ lesen durfte. Das wenige, was er über Afrika wusste, das war ein Film, den er als Jugendlicher in Westberlin gesehen hatte. Es ging um die Tiere der Serengeti, die eine Heimat suchten und nicht sterben sollten.
Vor dem Hintergrund des Kilimandscharo, den die Deutschen 60 Jahre die Kaiser-Wilhelm-Spitze nannten, erstreckte sich majestätisch die Savanne in Tansania, in der über eine Million afrikanische Gazellen, Zebras, Büffel, Antilopen, Elefanten und Raubtiere grasten und verdauten. Ein Ort der Sehnsucht und Schönheit für Robert Ticker.
Susanne, die Freundin des verstorbenen Vaters, die derweil Robert zugeschaut hatte, wie er seine Briefe las, die er nie geschrieben hatte, tupfte einige Tränen von der Haut im Gesicht und verschmierte das Rot der Lippen mit der Schwarztusche unter den Augen. Sie stippte die halbgerauchte Zigarette in den Ascher, schaute an Robert vorbei, von dem sie ahnen musste, was in ihm vorgehen würde. Leise sagte sie: „Da musste durch, Robert. Da siehste mal, wie du deinem Vater gefehlt hast.“ Roberts Lachen klang irre und war keine gute Antwort.
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